Zusammenfassung: Die Industrialisierung bezeichnet den tiefgreifenden Wandel von Agrar- zu Industriegesellschaften, der ab dem 18. Jahrhundert Europa prägte. Am Beispiel Englands und Deutschlands zeigt sich, dass technische Innovationen und gesellschaftliche Veränderungen den Verlauf und die Auswirkungen der Industrialisierung bestimmten. Diese Entwicklung führte zu neuen Lebens- und Arbeitsbedingungen, gesellschaftlichen Umbrüchen, Migration und vielfältigen Erfahrungen mit der Moderne.
Begriff der Modernisierung
Modernisierung bedeutet den Wandel von einer traditionellen Agrar- und Handwerksgesellschaft hin zu einer von Industrie, Technik und Wissenschaft geprägten Gesellschaft. Dieser Prozess geht mit tiefgreifenden Veränderungen in Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Alltagsleben einher. Wichtige Merkmale sind die Einführung neuer Technologien, eine arbeitsteilige Produktion, Urbanisierung und der Wandel sozialer Strukturen.
Industrialisierung in England und Deutschland
England war das erste Land, in dem die Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann. Gründe dafür waren technischer Fortschritt, eine Agrarrevolution, Bevölkerungswachstum, reiche Rohstoffvorkommen, günstige Transportwege sowie politische und wirtschaftliche Stabilität. Die Folge war eine schnelle Entwicklung von Industrie und Städten.
Deutschland begann die Industrialisierung später, holte aber im 19. Jahrhundert rasch auf. Während England die erste industrielle Revolution anführte, wurde Deutschland ab etwa 1870 in der sogenannten zweiten industriellen Revolution führend, vor allem in den Bereichen Chemie, Elektrotechnik und Maschinenbau. In beiden Ländern veränderten technische Erfindungen, wie die Dampfmaschine, und neue Produktionsmethoden Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend.
Auswirkungen der Industrialisierung
Die Industrialisierung führte zu einem starken Bevölkerungswachstum in den Städten, einer Verschiebung von Arbeitsplätzen aus der Landwirtschaft in die Industrie sowie zu neuen sozialen Schichten wie der Arbeiterklasse. Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken waren oft schlecht, die Lebensverhältnisse in den Städten geprägt von Armut, Umweltverschmutzung und Wohnungsnot. Zugleich entstanden neue Möglichkeiten für Bildung, Mobilität und politischen Einfluss. Die gesellschaftlichen Unterschiede traten deutlicher hervor, aber auch die Chancen auf sozialen Aufstieg nahmen zu.
Erscheinungsformen der Moderne um 1900
Um 1900 zeigte sich die Moderne in vielen neuen Lebensbereichen: Technik, Wissenschaft, Kunst und Architektur entwickelten sich schnell weiter. Die Menschen erlebten Fortschritt, neue Kommunikationsmittel und eine zunehmende Internationalisierung. Gleichzeitig stießen sie auf Unsicherheit, Entwurzelung und neue soziale Probleme. Ambivalent waren auch die Erfahrungen mit Massenorganisationen: Gewerkschaften und Parteien entstanden und sorgten für Politisierung; Frauen begannen sich in der Frauenbewegung für mehr Rechte einzusetzen. Diese Entwicklungen boten Chancen auf Mitbestimmung, führten aber auch zu Konflikten und Unsicherheiten. In der Forschung bezeichnet man diese Epoche als „Hochmoderne“.
Migration als Folge der Industrialisierung
Die Industrialisierung löste große Wanderungsbewegungen aus. Viele Menschen verließen das Land, um in den Städten Arbeit zu suchen (Binnenmigration). Gleichzeitig wanderten viele Europäer aus wirtschaftlichen Gründen nach Übersee aus, insbesondere nach Nordamerika (Auswanderung). Auch Zuwanderung aus anderen Regionen und Ländern nahm zu. Die Integration der Zuwandernden war eine Herausforderung für die Gesellschaften: Es kam zu neuen kulturellen Kontakten, aber auch zu Spannungen und Anpassungsprozessen.