Zusammenfassung: Die Industrialisierung veränderte die europäische Gesellschaft grundlegend: Es entstand eine neue Klassengesellschaft aus Fabrikbesitzern (Bourgeoisie) und Arbeitern (Proletariat), was zu sozialen Spannungen führte. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter waren häufig schlecht, weshalb die „soziale Frage“ nach einer gerechteren Verteilung des Wohlstands aufkam. Als Reaktion darauf entwickelten sich Arbeiterbewegungen, Reformen und staatliche Sozialgesetze, die das gesellschaftliche Leben nachhaltig prägten.
Einleitung
Die Industrialisierung war eine tiefgreifende Umwälzung, die im 19. Jahrhundert die europäische Gesellschaft veränderte. In diesem Text werden die wichtigsten Auswirkungen der Industrialisierung auf die Gesellschaft sowie zentrale Begriffe und Entwicklungen erklärt.
Von der Ständegesellschaft zur Klassengesellschaft
Vor der Industrialisierung war die Gesellschaft in Stände unterteilt. Menschen wurden als Bauern, Adelige oder Bürger geboren und blieben ihr Leben lang in diesem Stand. Mit der Industrialisierung entstand jedoch eine neue Gesellschaftsordnung: die Klassengesellschaft. In dieser neuen Ordnung bildeten sich feste soziale Gruppen, die sogenannten Klassen. Besonders entscheidend war, ob jemand Besitz an Produktionsmitteln wie Fabriken hatte oder lediglich seine Arbeitskraft anbot.
Bourgeoisie und Proletariat
Die wichtigsten Klassen waren die Bourgeoisie und das Proletariat. Zur Bourgeoisie gehörten die wohlhabenden Unternehmer und Fabrikbesitzer. Das Proletariat bestand aus den Fabrikarbeitern, die meist wenig besaßen und ihre Arbeitskraft verkaufen mussten. Der Besitz von Produktionsmitteln, also Fabriken und Maschinen, war das entscheidende Unterscheidungsmerkmal: Die Bourgeoisie verfügte über diese Mittel, das Proletariat nicht.
Die Soziale Frage
Durch die Industrialisierung entstand neuer Wohlstand, der jedoch ungleich verteilt war. Viele Arbeiter lebten in Armut, ein Zustand, der als „Pauperismus“ bezeichnet wird. Die „soziale Frage“ beschrieb das Problem, wie der Wohlstand gerechter verteilt werden könnte, um die Lebensbedingungen der Arbeiter zu verbessern.
Lösungsansätze für die Soziale Frage
Es gab verschiedene Versuche, die soziale Frage zu lösen:
- Kirchen unterstützten Arme mit Wohltätigkeit.
- Einige Unternehmer bauten Wohnungen und Schulen für ihre Arbeiter, machten diese aber dadurch oft noch abhängiger.
- Die Politik führte erste Arbeitsschutz- und Sozialgesetze ein, um die Lebensverhältnisse zu verbessern.
- Die Arbeiter schlossen sich zur Arbeiterbewegung zusammen, organisierten Streiks und forderten bessere Bedingungen.
Reform oder Revolution?
Innerhalb der Arbeiterbewegung gab es unterschiedliche Ansätze:
- Reformer wollten die Gesellschaft durch Gesetze und Verbesserungen verändern, ohne das System grundlegend zu stürzen.
- Revolutionäre, beeinflusst von Karl Marx und Friedrich Engels, forderten einen grundlegenden Umsturz der Gesellschaft und die Abschaffung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln.
Staatliche Sozialpolitik und Sozialistenverfolgung
Im Deutschen Kaiserreich versuchte Otto von Bismarck, die Arbeiter durch Sozialgesetze wie Arbeitsschutz und Rentenversicherung zu unterstützen. Gleichzeitig bekämpfte er sozialistische Parteien durch Verbote und Überwachung. Ziel war es, die Arbeiter von revolutionären Ideen abzuhalten und ihre Lebensbedingungen zu verbessern, ohne das bestehende System zu gefährden. Das von Bismarck eingeführte Umlagerentensystem existiert in Deutschland bis heute.
Unterschiede zwischen bürgerlicher und proletarischer Familie
Die Lebensverhältnisse von bürgerlichen und proletarischen Familien unterschieden sich stark. Bürgerliche Familien lebten meist wohlhabend, die Frauen waren für Haushalt und Kindererziehung zuständig, während die Männer arbeiteten. Proletarische Familien wohnten oft beengt, die Frauen mussten ebenfalls arbeiten und die Kinder trugen früh zum Lebensunterhalt bei. Bildung war im Bürgertum wichtiger als im Proletariat, wo Kinderarbeit weit verbreitet war.
Fazit
Die Industrialisierung führte zu einer neuen Gesellschaftsordnung mit großen sozialen Spannungen. Die unterschiedlichen Ansätze zur Lösung der sozialen Frage, die Entwicklung der Arbeiterbewegung und die ersten Sozialgesetze prägten die Gesellschaft nachhaltig und sind noch heute in vielen Bereichen spürbar.